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Verlegen in Zeiten der Krise – Bernd Schuchter im Gespräch

»Wer viel Geld verlieren möchte, der gründe einen Verlag!« – Verleger Bernd Schuchter steht sich selbst Rede und Antwort und zweifelt am Ende doch nicht, den richtigen Beruf ergriffen zu haben.
15 Jahre Limbus Verlag, ist das ein Grund zu feiern oder fragt man sich eher: Wo ist nur die ganze Zeit hin?

Gute Frage. Sicher beides, denn so manches Mal denke ich nur in den jeweiligen Programmen, die wir gemacht haben. Dann erinnere ich mich an dieses oder jenes Buch und rechne mir aus, wie alt da meine Kinder gerade waren – auch eine Gedächtnisstütze, die sie mir irgendwann hoffentlich nachsehen. Aber ja, es ist viel Arbeit, und die Jahre vergehen sehr schnell.

Wie wird man eigentlich Verleger, und warum macht man das?

Nun, wer nichts wird, wird Wirt, sagt man ja, aber ich kann das nicht. Ich habe eben eine Leidenschaft für Literatur, für Bücher, es war also ein Zufall! Ich meine, das ist ja etwas Schönes, das Büchermachen. Die Papiere, die Lesebändchen, bedruckter Vorsatz oder Rotschnitt, und dann die Texte, die berühren oder aufwühlen, das ist schon was. Am Ende sind es aber immer die Begegnungen, die bleiben.

Welche Begegnungen? Sitzt der Verleger nicht täglich über endlosen Zahlenreihen, um die Kalkulationen rentabel zu machen, denn es geht ja letztlich ums Geschäft, nicht wahr?

(schweigt lächelnd, lacht dann hysterisch, beruhigt sich aber rasch) Sicher. (Nach einer Pause) Gegenfrage: Ist es nicht sinnvoller, Bücher zu verkaufen, als mit Schrauben zu handeln? Die Frage stelle ich mir jeden Tag.

Ist es sinnvoller? Schrauben sind auch wertvoll …

Ich habe keine Ahnung, ich kann nur Bücher machen. Was ich aber sagen kann: dass die Begegnungen wertvoll sind. Mit den vielen Autor*innen, mit denen man Bücher macht und die mehr als einmal zu Freund*innen geworden sind. Dann die vielen Buchhändler*innen, Veranstalter*innen und Rezensent*innen, die alle von diesem Virus umgetrieben werden, das man gemeinhin Literatur nennt.

Apropos Virus, haben solche Akzidenzien des Lebens irgendeine Auswirkung auf die hehre Literatur? (lächelt spöttisch)

Nun, selbst unernste Fragen sollten immer ernst beantwortet werden, sonst wird das eigene Leben albern. Die Wahrheit ist, dass der Limbus Verlag nichts außer der Krise kennt. Die älteren Kolleg*innen erzählen immer von den Goldenen Zeiten der 1990er und bekommen dabei einen glasigen Blick.

Kennt man da Gefühle wie Neid oder Wut, in die falsche Zeit geboren worden zu sein?

Nur bedingt, denn worum geht es? Literatur bleibt Literatur. Das Büchermachen ist ein unglaubliches Privileg, und damit meine ich nicht die viele Zeit, die man sich frei einteilen kann. Es ist ja so, auch wenn man selbstständig ist, also selbst und ständig arbeitet, wie der Kalauer lautet, gibt es ein Drittes, das darüber hinausgeht, das für alles entschädigt. Der Limbus Verlag ist ein Verlag, dem es nicht nur um Umsatz geht (das ist wichtig, zweifellos, nicht zuletzt, um die Interessen der Autor*innen angemessen vertreten zu können), ansonsten aber arbeiten wir für die Literaturgeschichte.

Wie kann man das verstehen? Ist der ganze Verlag ein bloßes Kulturprojekt?

Was bedeutet denn Kultur, und wie kann man sie vermitteln? Am Ende geht es doch immer um Erkenntnis, und das ist nicht rein idealistisch gemeint. Jede(r) Leser*in sollte im optimalen Falle aus einem Buch klüger rausgehen als in die Lektüre hinein. Aber da geht es nicht nur um Inhalt, sondern auch um Form. Lesen ist ja auch ein sinnliches Erlebnis! Wenn ich mit meinen Fingerkuppen über einen Überzug mit geripptem Surbalin streiche, ist das etwas anderes als das bloße Abgreifen eines dünnen Kartons. Ein Reclam-Büchlein ist emotional aufgeladen und genial, aber es gibt noch mehr.

Was gibt es noch darüber hinaus? Oder anders gefragt: Was ist ein Buch?

Zuerst einmal ein Kulturträger natürlich, ganz egal, ob es sich um einen zeitgenössischen oder einen klassischen Autor handelt. Denn am Ende geht es um die Freude, die der oder die Leser*in in der Buchhandlung hat, wenn sie das eine Buch entdeckt, das sie haben will. Vielleicht wird sie oder er es lesen, vielleicht auch nicht. Sie oder er will es aber haben, weil es etwas andeutet, das kein anderes Medium vermag, nämlich die Verheißung einer Erkenntnis, die nicht banal ist oder schnelle Unterhaltung verspricht, sondern Trost, Lust oder schlicht Irritation. (lächelt) Ich weiß, jeder Verleger muss die anderen Künste abwerten, um die eigenen in die Auslage zu stellen. Albern irgendwie, nicht wahr?

Letzte Frage: Wie macht man eigentlich einen Verlag? Und warum?

Nicht allein, würde ich sagen. Wir haben mittlerweile drei Illustratorinnen, die unsere wunderbaren Preziosen und Lyrikbände gestalten, und das muss man gar nicht gendern, sie heißen allesamt Johanna oder Hannah. Das sind Zufälle, die keine Zufälle sind. Zeichnerinnen heißen anscheinend alle Johanna wie alle Jesuiten Herwig heißen. Das muss man akzeptieren, auch als Verleger. Hinzu kommt die unschätzbar wertvolle Arbeit der Herausgeber wie von Erwin Uhrmann (Limbus Lyrik) oder Alois Schöpf (Limbus Essay). Ganz zu schweigen von den Lektor*innen, den Rezensent*innen, den Vertreter*innen, Vertriebler*innen, Drucker*innen und den vielen anderen, die ein Buch erst ermöglichen. Aber das alles ist nachlaufend. Am Anfang steht eine Idee, die irgendwann vielleicht zu einem Buch wird. Im Grunde ist es ein Wunder!

 

Verlagsweisheiten

»Das sieht im Druck dann bestimmt anders aus.« (Zweckoptimismus als Reaktion auf den Zweifel, wenn man sich nicht sicher ist, in der Herstellung alles im Griff zu haben.)
Verlagsweisheit No. 1

»Die fast unlösbare Aufgabe besteht darin, in Vorarlberg eine NZZ zu bekommen.« (frei nach Thomas Bernhard)
Verlagsweisheit No. 2

»Jetzt sind wir wirklich endlich ein richtiger Verlag.« (Erkenntnis nach Erreichen des 173. internen Ziels, das man sich vorgenommen hat.)
Verlagsweisheit No. 3